Smart Logistics, dahinter steht der datengesteuerte Ansatz, alle an der Supply-Chain beteiligten Akteure zu vernetzen, um Warenströme zu beschleunigen und effizienter zu gestalten. Smart Logistics entsteht im Wesentlichen durch Innovationen bei Transportation Management Systemen, Warehouse Management Systemen und Supply Chain Planning.
Was ändert sich und warum?
Die größten Veränderungen in der Logistik werden durch die Integration künstlicher Intelligenz (KI) erwartet. Im September 2020 tagte in Dortmund der Zukunftskongress Logistik. Der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML), Prof. Michael ten Hompel gab sich zuversichtlich, dass durch den Einsatz von KI Lieferketten selbstständig in Echtzeit und auf allen Ebenen vernetzt werden können. So könnten autonome Devices Verträge verhandeln und Bezahlvorgänge eigenständig abschließen. Das Fraunhofer IML arbeitet bereits mit der “Silicon Economy” an einer digitalen Plattform-Ökonomie, welche als Umgebung für diese neuen Technologien fungieren soll.
Die Logistikbranche wird laut Prof. Michael ten Hompel von KI besonders profitieren und bei deren Einsatz ganz vorne mitspielen. Diese Prognose wird auch durch die aktuelle Strategie von DHL untermauert. Der Logistikdienstleister hat im September 2019 sein drittes Innovationszentrum eröffnet, nach Troisdorf und Shanghai diesmal in Chicago. Dort arbeiten Mitarbeiter, Kunden und Wissenschaftler gemeinsam an der digitalen Zukunft der Logistik, der Smart Logistics. DHL setzt bereits autonome und kollaborative Roboter in seinen Versandzentren ein. KI soll Routen optimieren und die Automatisierung vorantreiben. Den nächsten Schritt hat das Unternehmen bereits angekündigt: die Entwicklung einer digitalen Plattform zur Steuerung und Überwachung aller Sendungen. Denn die Erwartungen der Marktteilnehmer an Lieferzeiten sowie Prozessverbesserungen bei den Zustellungen sind groß, und die Konkurrenz, die mittlerweile überwiegend aus dem Online-Sektor kommt, schläft nicht. So integrieren z.B. die beiden E-Commerce-Riesen Amazon und Alibaba über ihre Plattformen ganze Lieferketten. Andere Logistikdienstleister können daran zwar als Partner partizipieren, noch viel wichtiger ist es aber, dass sie selbst intelligente Infrastrukturen aufbauen, um in Zukunft nicht in die volle Abhängigkeit der Online-Riesen zu schlittern.
Großer Innovationsdruck bei Smart Logistics durch Online-Händler
Die großen Online-Händler Amazon und Alibaba mischen an den Entwicklungen in der Smart Logistics also bereits kräftig mit und vergrößern ihre Marktanteile dabei stetig. Alibaba etwa hat mit seinem eigenen Logistikdienstleister Cainiao große Pläne. Cainiao Network betreibt eine Plattform, die alles von der Digitalisierung und Standardisierung, von Frachtbriefen bis hin zur Routenoptimierung für Kuriere, übernimmt. Erst kürzlich nahm Cainiao die ersten Containerbuchungen an. Insbesondere bei den Lieferzeiten einen neuen Standard zu setzen, das hat sich das chinesische Unternehmen auf die Fahne geschrieben. Ende 2020 wurde bekannt, dass Cainiao künftig auch nach Japan expandiert. Der Versand soll durch die Expansion insbesondere durch eine stärkere logistische Infrastruktur bis zu 40 Prozent verbessert, sowie die Sendungsdauer stark verringert werden.
Der größte chinesische Wettbewerber von Cainiao, JD.com, strebt innerhalb Chinas für ausgewählte Produkte Lieferungen innerhalb von 30 Minuten an. JD.com setzt dabei auf Smart Logistics mittels KI, um die Entfernung zwischen den Einzelhandelsgeschäften, die im Partnernetzwerk registriert sind, den eigenen Lagern und Distributionszentren sowie den Kunden zu bestimmen. Liegt ein Offline-Shop aus dem Netzwerk näher am Kunden als die eigenen Lager erfolgt die Auslieferung von dort. Im Netzwerk befinden sich bereits über 20.000 Partner, überwiegend Einzelhändler aus China. Zusätzlich kooperiert JD.com mit der US-Handelskette Walmart, die mit über 170 Filialen im Netzwerk von JD.com vertreten ist. Im 3. Quartal 2020 baute JD.com, mit Anteilen an dem Logistikunternehmen Kuayue-Express, seine Logistiksparte mit dem Ziel aus,Technologieaktivitäten sowie Service Erweiterungen für Drittanbieter weiterzuentwickeln und ein integriertes Lieferantenmanagement zu ermöglichen.
Neuartige digitale Plattformen, die KI nutzen, automatisierte Vertriebszentren sowie neue Geschäftsmodelle für die Auslieferung der Waren sind also die Enabler für die kurzen Lieferzeiten.
“Last Mile” als wichtigster Erfolgsfaktor?
Der Weg einer Ware vom Vertriebszentrum zum Kunden wird in der Logistik als “Last Mile” umschrieben. Innovationen in diesem Bereich könnten zukünftig über die Marktführerschaft in der Logistik für Endkunden entscheiden. Ein Trend ist der Aufbau vieler kleiner Versandlager, die wie ein Netz über ganze Länder verteilt werden, um die Wege zum Endkunden so kurz wie möglich zu halten. Amazon unterhält bereits 175 solcher sogenannten “fulfilment center”. Um die Lagerbestände vorausschauend zu überwachen, werden die Lagerdaten in einem gemeinsamen Datenraum mit den Händlern und Herstellern in Echtzeit vernetzt. Die Auslieferung selbst hat noch hohes Optimierungspotential. Ein präzises Tracking der Zustellfahrzeuge könnte dem Kunden minutengenau die Lieferung auf dessen Smartphone ankündigen. Die Berücksichtigung einer vom Kunden vorgegebenen Zustellzeit und vereinfachte Retouren sollen bald schon besser umgesetzt werden.
Spezialisten für Routenführung, wie etwa Uber Freight, die Cargo Sparte von Uber, reifen hier zusätzlich zu Konkurrenten für die Logistikdienstleister heran. In Deutschland widmen sich zudem einige Startups erfolgreich dem Thema “Last Mile” und führen Blitzauslieferungen für namhafte Großunternehmen aus. Gute Beispiele hierfür sind Tiramizoo und Liefery oder Parcello.
Autonome Fahrzeuge, die Infrastruktur und der Staat ermöglichen den Fortschritt
Um innovative Konzepte wie den Einsatz autonomer Lieferfahrzeuge oder Lieferdrohnen ein- und umzusetzen, ist ein intensiver Austausch mit den staatlichen Stakeholdern wie Kommunen sowie Lizenzgeber unumgänglich. Die Fähigkeit eines Staates, das Funktionieren von autonomen Fahrzeugen zu gewährleisten, kann daher zukünftig zu einem volkswirtschaftlichen Schlüsselerfolgsfaktor werden. Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) zum Beispiel haben das erkannt und investieren massiv in ihre Infrastruktur, um sie für die autonome Zukunft des Lieferverkehrs tauglich zu machen. Bis 2030 soll dort ein Viertel der Fahrzeuge autonom auf den Straßen unterwegs sein. Im seit 2018 jährlich von KPMG erstellten Autonomous Vehicles Readiness Index 2020 positionierten sich die VAE inzwischen auf Platz 8, Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr von Platz 8 auf Platz 14 abgerutscht.
Der Wettbewerb in der Logistik wird politisch
Inzwischen erreicht der Wettbewerb in der Logistik eine neue Dimension. Wo sich US-Konzerne mit chinesischen Konzernen messen, da wird es heutzutage schnell politisch. Die US-Regierung, unterstützt von vielen Regierungen aus der EU, kämpfte bis Ende September 2019 erfolgreich im Weltpostverein für fairere Regeln im internationalen Postverkehr. Der Weltpostverein, englisch Universal Post Union (UPU), gegründet 1874 mit Sitz in Genf, ist die drittälteste internationale Organisation der Welt. Nach einem geheimen und komplizierten Mechanismus wird dort festgelegt, wie viel eine Sendung von einem Land in das andere kostet. Denn im Empfängerland einer Sendung ist nicht mehr die Post, bei der die Sendung aufgegeben wurde zuständig, sondern die für das Gebiet der Zustellung verantwortliche. Dieser Service muss bezahlt werden. Damit es aber durch die weltweit differierende Kaufkraft nicht zu großen Ungleichgewichten im internationalen Postverkehr kommt, ordnet der Weltpostverein seine 192 Mitgliedsländer in vier Kategorien ein. Je niedriger die Kategorie, desto weniger musste ein Land für eine internationale Sendung bezahlen. Dieses eigentlich sinnvolle System hatte dazu geführt, dass eine Sendung von China (laut UPU ein Schwellenland) in die USA nur ein Viertel so viel kostet wie eine Sendung innerhalb der USA. Diese Rechnung kann so auch auf die EU übertragen werden. Daraus ergaben sich massive Preisvorteile für chinesische E-Commerce Händler. Der Deutsche Verband für E-Commerce und Versandhandel rebellierte.
Jedes Jahr werden etwa 70 Millionen kleine Warensendungen von China nach Deutschland geschickt. Dabei entgingen den deutschen Postunternehmen bisher mindestens 100 Millionen Euro jährlich an Porto-Einnahmen. Ebenso entgingen den einheimischen Händlern potenzielle Umsätze durch Wettbewerbsverzerrung. Da die USA mit dem Austritt aus dem Weltpostverein gedroht hatten, fanden die Mitgliedsländer im September 2019 auf einem außerordentlichen Treffen einen Kompromiss: Industriestaaten dürfen jetzt höhere Beträge für die Weiterleitung von internationalen Sendungen in Rechnung stellen.
Spannende Startup-Bewegungen bei Smart Logistics trotz Corona
Man sollte vermuten, dass die Corona-Beschränkungen gerade für den Logistikbereich einen eher bremsenden Effekt haben. Die Entwicklungen bei den Logistik-Start-ups sprechen eine andere Sprache. Viele neue Start-up Gründungen konnten im Corona-Jahr 2020 in der Logistikbranche verzeichnet werden. Auch Ludwig Hausmann, Partner bei McKinsey & Company, äußerte sich am KLU Logistic Innovators Day dazu positiv.“Die Dynamik der Start-up-Finanzierung hat sich durch Covid-19 beschleunigt.“ Die gesamte Finanzierung für Logistik habe sich von 2019 auf 2020 um 25 Prozent gesteigert.
Smart Logistics gehört die Zukunft
Der Fluss der Waren von der Quelle zum Ziel hängt von der Integration mehrerer Elemente wie Schiffe, Lastwagen und Flugzeuge, Bestell- und Informationssysteme und vor allem von Menschen und deren Regelwerken sowie politischen Entscheidungen ab. Ein Netzwerk, das alle Beteiligten intelligent und bestenfalls in Echtzeit verbindet und koordiniert, ist die Voraussetzung für den Erfolg von Smart Logistics. Die Logistik wird auf unterschiedlichen Ebenen zu einem wachsenden Erfolgsfaktor. Welche Chancen und Risiken sehen Sie vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen für Ihr Unternehmen? Sprechen Sie uns gerne für einen fachlichen Austausch an.