Nachhaltige Mobilität ist einer der Automotive Megatrends 2023, wenn nicht sogar des aktuellen Jahrzehnts. Umweltschutz stand noch nie so sehr im öffentlichen und politischen Fokus, wie jetzt: Im Rahmen des letzten Weltumwelttages kündigte die UNO ihre Pläne für strengere Vorschriften zur CO2-Reduktion an; viele Länder, darunter China und die USA, präsentieren ihre Pläne zur Förderung von Elektrofahrzeugen. Im Oktober 2022 beschloss das EU-Parlament eine Reduzierung der CO2-Emissionen von Neufahrzeugen bis zum Jahr 2030 in Höhe von 55% bei PKW bzw. 50% bei leichten Nutzfahrzeugen wie Transporter und Vans gegenüber 2021. Bis 2035 muss diese Reduktion bei 100% liegen – heißt: neue PKW und Transporter müssen emissionsfrei sein. Für LKW mit mehr als 16 Tonnen liegt die geplante Reduktion bei 30% ab 2030; allerdings ist zu erwarten, dass noch striktere Regelungen folgen werden. Als Beitrag zum Naturschutz, als Wettbewerbsvorteil und für ein positives ESG Rating ergreifen viele Unternehmen Maßnahmen, um den Vorschriften für Nachhaltigkeitsreportings und der Reduktion von CO2 gerecht zu werden.
Für die Automobilindustrie mit ihren PKW- und LKW-Herstellern und anderen Stakeholdern bedeuten die neuen EU-Ziele in erster Linie große Veränderungen – aber auch eine große Chance auf Innovation und radikale, nachhaltige Transformation der eigenen Produkte, Dienstleistungen und Geschäftsprozesse. Deutsche PKW-Hersteller begegnen der Herausforderung nachhaltige Mobilität hauptsächlich mit der Weiterentwicklung des Elektromotors auf Basis der Batterie- und Brennstoffzellentechnologie: Mercedes Benz möchte bereits ab 2030 keine Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mehr auf den Markt bringen, Opel sogar schon ab 2028.
Dass die Umsetzung von Regulierungen und der Einsatz von nachhaltiger Mobilität schon heute auch in der betriebseigenen Flotte möglich ist, zeigt das Beispiel der Bridging IT GmbH. Bereits 2011 begann der IT-Dienstleister damit, einzelne Fahrzeuge durch E-Fahrzeuge zu ersetzen. 2015 besaß das Unternehmen die bis dato größte E-Flotte in Deutschland – und diese wächst immer weiter.
Soweit so gut. Doch wie sieht es bei Frachtflotten aus? Schließlich haben die großen Brummer auf zwei bis vier Achsen einen enormen CO2-Ausstoß vorzuweisen – mit 141,3 Millionen Tonnen CO2-Emissionen in 2020 ist Deutschland deutlich EU-Spitzenreiter bei Transporten auf der Straße. Und das ist alles andere als nachhaltig.
CO2-Emissionen von Straßentransporten in der EU in 2020 (Quelle: https://www.statista.com/statistics/1236750/road-transportation-greenhouse-gas-emissions-eu/)
Truck Fleet to Zero – wie ein Logistikunternehmen nachhaltige Mobilität erfolgreich umsetzt
Erstmals am 44. Internationalen Wiener Motorensymposium vom 26.4.-28.4.2023 in Wien in ausführlicher Ausarbeitung erschienen.
Dass es auch anders geht, nämlich nahezu klimaneutral, zeigt die Firma Mosolf Transport Solutions GmbH aus Kirchheim/Teck. Der führende Technik- und Logistikdienstleister für die Automobilindustrie möchte in einem umfassenden Transformationsprojekt einen Teil seiner Flotte auf E-Trucks umstellen. Die Ergebnisse der ersten Projektphase in enger Zusammenarbeit mit der Magility GmbH stellte Geschäftsführer Egon Christ nun auf dem 44. Wiener Motorensymposium vor.
Impressionen vom Symposium in der Bildergalerie
Nachhaltige Mobilität stellt Logistiker vor große Herausforderungen
Der Wechsel zu neuen Antriebstechnologien birgt unzählige große Herausforderungen: Er muss nicht nur schnell und einfach möglich sein – im Vergleich zur bestehenden Dieseltechnologie muss eine neue Technologie vor allem vergleichbar robust, haltbar und verlässlich sein. Es dürfen sich unter keinen Umständen Risiken im operativen Bereich oder Nachteile im Wettbewerb oder bei den Kosten ergeben. Beim Einsatz von E-Mobilität kommen weitere Faktoren wie der Aufbau einer betrieblichen und der Nutzung der öffentlichen Ladeinfrastruktur, die Frage nach staatlichen Förderprogrammen zum Aufbau dieser Strukturen und zur Erneuerung der Flotte hinzu. Betrieblich gesehen kommen bei der technischen Transformation Wirtschaftlichkeitsbewertungen, Risikoverständnis und Risikomanagement in der TCO-Rechnung in der Umsetzung zum Tragen. Die Komplexität der Veränderung wird zeitgleich auch von externen Faktoren beeinflusst, wie zum Beispiel sich verändernde Anschaffungskosten der Fahrzeuge, aktuell schwer zu kalkulierende Energiekosten, aber auch stark volatile Faktoren wie Maut, Steuergesetze, THG-Regulierungen und Förderrichtlinien.
Wie Transformation gelingen kann
Das Design-to-Quality Modell
Aufgrund der Komplexität der Herausforderungen setzte Mosolf auf einen strukturierten Transformationspfad, der die wirtschaftlichen und technischen Herausforderungen zuverlässig abbildet, bewertet und verfolgbar macht. Dabei wurde ein Design-to-Quality-Modell verwendet, das verschiedene Technologien und Energieoptionen bewertet und es auf die wichtigsten Parameter reduziert.
Gesamtbewertungsmodell auf der Grundlage eines „Design to Quality“-Designs (Quelle: Mosolf/Magility GmbH, 2023)
Um die Gesamtbetriebskosten zu kalkulieren, wurde ein Gesamtkostenmodell für die Anschaffungskosten und die Betriebskosten entwickelt. Von besonderer Relevanz sind hierbei auch: die Aufwendungen für die Ladeinfrastruktur, Förderprogramme, Einsatzprofile, Ladung, Wartung und Verschleiß sowie Steuern, Versicherungen und Mautkosten.
Die Ergebnisse des Gesamtmodells zeigten Überschneidungen zwischen den Technologieoptionen über die Betriebszeit der Fahrzeuge auf, aus denen dann eine Entscheidungsmatrix erstellt wurde. Wichtigster Parameter im Kostenmodell für die Anschaffungskosten der Fahrzeuge war dabei die Kostenentwicklungskurve der Batterietechnologien – diese hat den größten Einfluss auf die Kostensenkung. Auch Skaleneffekte reduzieren die Kosten für elektrische Antriebe und Ladetechnologien massiv.
Kostenentwicklungskurve für Batteriesysteme von 2009 bis 2030 (Quelle: Mosolf/Magility GmbH, 2023)
Klar zu erkennen war, dass sich seit 2009 eine eindeutige Richtung der Kostenentwicklung bei Batterien abzeichnet. Diese Analyse stützte sich auf mehr als 20 Quellen und Studien. Weitere Erkenntnisse wurden beispielsweise aus einer dynamischen Kostenberechnung gewonnen. Dabei wurden Technologien (Diesel-, Brennstoffzellen- und batterieelektrische Fahrzeuge) und ihre Potenziale auch für die Zukunft mithilfe von verschiedenen CADRs und CAGRs prognostiziert:
- unterschiedliche Reichweiten
- verschiedene Technologien und Architekturen
- verfügbare Förderprogramme
- Emissionsanforderungen
Erkenntnisse zur nachhaltigen Mobilität für Logistikunternehmen
Insgesamt konnten in Projektphase 1 viele wertvolle Erkenntnisse zu einem Transformationsprozess hin zum Einsatz von batteriebetriebenen Fahrzeugen gewonnen werden:
- Durch die dynamische Kostenbetrachtung können Beschaffungsszenarien professionell und ganzheitlich geplant werden.
- Entscheidungsmatrizen helfen dem Management, die Umstellung ihrer Flotten entlang der typischen Nutzungszeiträume zu optimieren.
- Neue Batterietechnologien und Fahrzeugarchitekturen werden weitere Kostenreduktionen ermöglichen.
- Mit der Ladetechnologie MCS (megawatt charging system) können schon jetzt deutliche Verkürzungen in den Ladezeiten erreicht werden. Die Ladetechnologie für LKW mit mehr als 16 Tonnen wird sich dynamisch weiterentwickeln.
- In Anbetracht der nicht unerheblichen Herausforderungen, war es unabdingbar, den Entscheidungsprozess durch ein professionelles Chancen- und Risikomanagement zu unterstützen, das frühzeitig Aufschluss über Risiken und Chancen des Projektes geben kann.
Traditionelle Entscheidungsprozesse funktionieren bei dieser Art von Transformation nur selten gut – moderne Entscheidungsprozesse sind weitreichender und komplexer, da eine größere Auswahl an Technologien zur Verfügung steht und Chancen, Potenziale und Risiken bewertet werden müssen. Bei der Entscheidung für oder gegen elektrische Antriebe und nachhaltige Mobilität müssen Unternehmen auch abwägen, ob sie ihre eigene Infrastruktur aufbauen oder externe Optionen nutzen wollen. Staatliche Subventionen und die Verantwortung für unternehmerisches Handeln spielen dabei natürlich ebenfalls eine große Rolle.
Der neue Entscheidungsfindungsprozess für die Transformation hin zu Elektromobilität umfasst die Abbildung zukünftiger Kostentrends mithilfe digitaler Zwillinge, die Risiken und Schwankungen der Energiekosten vorhersehen. Die Investitionskosten werden stark von den Anwendungsfällen beeinflusst, die bestimmen, wann die Kostenparität erreicht wird. Der Grad der Ambition für die Transformation kann langsam, mittel oder schnell sein.
Nachhaltige LKW-Mobilität ist schon heute Realität
Fest steht: Geschäftsmodelle werden jetzt in Richtung Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit entwickelt. Bei Mosolf ist der erste Schritt getan: Die ersten Elektro-Lkw sind beschafft und die Ladeinfrastruktur ist aufgebaut. Der Testbetrieb hat begonnen und die nächste Beschaffungswelle ist in Planung.
Möchten auch Sie den Weg zu nachhaltiger Mobilität beschreiten? Unsere Experten unterstützen Sie gerne bei Ihrem Transformationsprojekt!