Die Corona-Pandemie hat die Weltwirtschaft schwer getroffen und zu einem Einbruch des internationalen Handels geführt. Die weltweite Industrieproduktion erreichte im April ihren Tiefpunkt und lag rund 15 % unter dem Niveau vom Dezember des Vorjahres. Der internationale Handel war im April um 16 % und im Mai um 17 % niedriger als im Dezember, was in der folgenden Grafik zu sehen ist:

Wertschöpfungskette

Die Entwicklung der Weltwirtschaft wirkt sich auch auf den deutschen Mittelstand aus. Als Teil globaler Wertschöpfungsketten kann er sich Nachfragerückgängen und Produktionsunterbrechungen im Ausland kaum entziehen. Und ist daher nicht nur von den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus im Inland betroffen.

Ausländischer Wertschöpfungsanteil an deutschen Exporten

Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln sind die USA der wichtigste Lieferant importierter Wertschöpfung, gefolgt von China. Der Anteil Chinas an der Wertschöpfung der deutschen Exporte liegt bei 1,6 Prozent. Das bedeutet, dass 7,8 Prozent der importierten Produkte, die in die deutschen Exporte fließen, aus China stammen. Die Hälfte der für den Export importierten Wertschöpfung stammt aus den EU-Mitgliedstaaten. Frankreich ist hier der wichtigste Lieferant, an zweiter Stelle steht die italienische Wirtschaft als Vorleistungslieferant für die deutschen Exporte.

Zwar scheint die Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von einzelnen Ländern eher gering zu sein. Insgesamt kommen aber mehr als ein Fünftel der Leistungen für inländische Verbraucher, Unternehmen, den öffentlichen Sektor und die Exportwirtschaft aus dem Ausland. Zudem dürfte die Abhängigkeit von der ausländischen Wertschöpfung stark sektorabhängig sein.

Vom gesamten weltweiten Dienstleistungsangebot der deutschen Wirtschaft stammen 76,6 Prozent aus der inländischen Wertschöpfung. 23,4 Prozent stammen dagegen aus dem Ausland. Hiervon wiederum stammen weniger als die Hälfte (rund 10 Prozent) aus anderen EU-Ländern. Auf die USA entfallen 2,3 Prozent, auf China 1,9 Prozent und auf das Vereinigte Königreich 1,4 Prozent der erbrachten Leistungen unter Berücksichtigung der inländischen Wertschöpfung:

Wertschöpfungskette

Wie erwartet ist die Abhängigkeit von ausländischen Anbietern im Bergbau mit 84,6 Prozent besonders ausgeprägt. Auch die Land- und Forstwirtschaft, einschließlich der Fischerei, bezieht mit 45,2 % fast die Hälfte ihrer Wertschöpfung aus dem Ausland. Im Baugewerbe und bei den Dienstleistungen ist die Abhängigkeit vom Ausland mit 16,8 bzw. 15,7 Prozent zwar unterdurchschnittlich, aber dennoch nicht zu vernachlässigen. Berücksichtigt man die Binnenorientierung der Dienstleistungen des Baugewerbes, so zeigen die Daten, dass ein Bauprojekt im Wert von 100 Millionen Euro Dienstleistungen im Wert von jeweils rund 1,6 Millionen Euro aus den USA und China bezieht.

Deutschland besonders stark in globale Lieferketten integriert

Aufgrund der derzeitigen Corona-Krise werden nun Dominoeffekte mit dramatischen Folgen für den deutschen Wohlstand erwartet. Grund hierfür seien Handelsbarrieren, welche vor allem für Zulieferungen und medizinische Güter errichtet wurden. 

Wie stark die deutsche Wirtschaft in den Welthandel verwoben ist, macht die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) deutlich. Deutschland ist unter den großen Industrienationen intensiver in internationale Lieferketten eingebunden als jedes andere Land: Misst man die Offenheit einer Volkswirtschaft am Verhältnis des Handelsvolumens zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), so beträgt der wirtschaftliche Integrationsgrad der Bundesrepublik Deutschland 88 Prozent. Einer der höchsten Werte weltweit. 

Was wir aus der Krise lernen können

Die Corona-Krise hat massive Auswirkungen auf uns. Sie hat auch erhebliche Folgen für Konzerne, ihre Wertschöpfungsketten und auch auf die Verrechnungspreise, die sich teilweise sehr stark verändern müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Generell sollten demnach betroffene Unternehmen mögliche Auswirkungen von Anpassungen in ihrer Wertschöpfungskette berücksichtigen und frühzeitig Maßnahmen zur Minimierung von Steuer- und Compliance-Risiken ergreifen, um die Krise bestmöglich zu bewältigen.

Über das Ausmaß und die Dauer der wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie kann man derzeit generell nur spekulieren. Deutsche Unternehmen befürchten nicht nur den Verlust von Exporten nach China, sondern auch eine Unterbrechung ihrer eigenen Wertschöpfungsketten: Denn Mitarbeiter können ihre Arbeit nicht mehr verrichten – aufgrund von Krankheit, eingeschränkter Mobilität oder gar Angst. Auch der Mangel an Vorleistungen aus China oder anderen Ländern ist ein Produktionshindernis. Das Coronavirus ist ein Nachfrage- und Angebotsschock.

Die Internationalisierung der Produktion und die damit einhergehende Arbeitsteilung haben zu erheblichen Effizienzgewinnen in den beteiligten Volkswirtschaften geführt. Die Vorleistungen in internationalen Wertschöpfungsketten, der gegenseitige Technologietransfer oder der Wissensaustausch über Mitarbeiter in multinationalen Unternehmen haben auch in Deutschland die Produktionsmöglichkeiten und den Wohlstand erhöht.

Träten Pandemien dagegen häufiger auf, würde dies bei ausgeprägten Abhängigkeiten früher oder später zu dauerhaften Produktionsschocks führen. Rückverlagerungen an inländische oder andere ausländische Standorte wären die Folge. Der teilweise Verzicht auf die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung wäre durch die damit einhergehende Minimierung der Risiken aus Produktionsabhängigkeiten gerechtfertigt. Eine effiziente Internationalisierung führt jedoch zu einer Diversifizierung der Risiken – einschließlich der Reduzierung nationaler Abhängigkeiten. Insofern sollten internationale Wertschöpfungsketten vor allem auf ihre Nachhaltigkeit hin untersucht und nicht per se auf den Prüfstand gestellt werden.

Nachhaltige Auswirkungen auf die Weltwirtschaft sind denkbar, wenn Wirtschaftskrisen von überschaubarer Dauer als Vorwand für eine politisch motivierte Auflösung der internationalen Zusammenarbeit angeführt werden. Auch das Argument einer Umstrukturierung der internationalen Produktionspotentiale infolge von Epidemien oder Pandemien muss in den aktuellen politischen Rahmen eingeordnet werden. Dieser ist häufig durch protektionistisches und autarkes Denken geprägt. Nicht die Verflechtung der Länder und die daraus resultierenden Wohlstands- und Kooperationsvorteile, sondern die Entkopplung der Volkswirtschaften und das Streben nach wirtschaftlicher und politischer Unabhängigkeit stellen in vielen Fällen die Maxime des politischen Handelns dar. Es besteht daher die Gefahr, dass sich COVID-19 langfristig betrachtet zu einem weiteren Knock-out für die Globalisierung entwickelt.

Lieferketten benötigen eine Diversifizierung – staatliche Eingriffe sollten eingeschränkt bleiben

Eine strukturelle Veränderung der Wertschöpfungsketten hängt stark von den Unternehmen ab. Eine Maßnahme könnte zum Beispiel darin bestehen, die Lieferketten zu diversifizieren, um die Widerstandsfähigkeit gegenüber Produktionsausfällen bei vorgelagerten Produkten zu erhöhen.

Laut Galina Kolev, Ökonomin am IW und Expertin für Welthandel, sollten staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen nur in Bereichen in Betracht gezogen werden, die für die Grundversorgung der Bevölkerung mit beispielsweise Grundnahrungsmitteln oder medizinischen Produkten von großer Bedeutung sind. Eine nationale Abschottung sei kein Ausweg. 

Wir von magility werden weiterhin die Auswirkungen der Corona-Krise auf Wertschöpfungsketten und die Wirtschaft im Allgemeinen beobachten. Wir halten Sie hierzu gerne auf dem Laufenden. 

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