Elektrik und Elektronik (E/E) sind und bleiben in der Automobilindustrie die wesentlichen Treiber für Innovationen im Fahrzeug aber auch für neue digitale Geschäftsmodelle. Bei einem global wachsenden Produktionsvolumen wird sich der weltweite Bestand auf ca. 1,4 Mrd. Fahrzeuge erhöhen. Bis 2025 werden auch ca. 90% aller Neuwagen vernetzungsfähig sein. Safety, Security und Privacy werden zukünftig in ihrer Bedeutung ebenfalls zunehmend erfolgskritisch. Auch die Antriebsformen werden komplexer: Verbrennungsmotoren, Hybrid- und Elektroantriebe, synthetische Kraftstoffe sowie Brennstoffzellen werden den Markt nachhaltig verändern.
Wie sicher sind Lithium-Ionen-Batterien?
Im Zuge der stetigen Weiterentwicklung von Elektromobilität sowie des vernetzten und autonomen Fahrens, rücken Elektroantriebsbatterien immer mehr in den Fokus. Wir von magility haben uns schon in der Vergangenheit intensiv mit den neuen Technologien auseinandergesetzt und in den Trendstudien „magility Automotive Elektrik/Elektronik“ sowie „Elektromobilität und Energiespeicher“ die wichtigsten Entwicklungen und Trends aufbereitet. Die Lithium-Ionen-Technologie hat viele Vorteile, birgt aber auch Gefahren. In den Medien liest man häufig über Probleme mit gerade diesen Akkus. Seien es brennende, ja gar explodierende Akkus von Handys, E-Autos, die in Flammen aufgehen oder auch E-Bike-Batterien, die ganze Häuser in Brand setzen – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.
Die aentron GmbH mit Sitz in Gilching bei München ist einer der führenden Anbieter von Lithium-Ionen-Akkus. Die Lithium-Ionen-Batterien von aentron werden in Deutschland entwickelt und produziert. Sie werden sowohl für industrielle als auch private Anwendungen verwendet. Einsatzbereiche sind E-Mobility (Kühlfahrzeuge etc.), E-Industrie (z.B. fahrerlose Transportsysteme), E-Maritime (vom Fahrgastschiff bis zum privaten Elektromotorboot) und ON/OFF Grid (von Heimspeichersystemen und industrieller unterbrechungsfreier Stromversorgung (USV) bis hin zu mobilen Solargeneratoren). Die Systeme sind so konzipiert, dass sie anspruchsvollsten Bedingungen sowohl an Land als auch auf See standhalten.
Wir wollen aufklären, warum die Lithium-Ionen-Technologie bei Energiespeichern unverzichtbar ist und wie Gefahrenquellen schon im Herstellungsprozess minimiert werden können. Hierzu haben wir Dr. John De Roche befragt. Er ist Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter von aentron Energy Solutions und ein ausgewiesener Experte in Sachen funktionale Sicherheit. Seit seiner Doktorarbeit über Lithium-Ionen-Salze und -Elektrolyte setzt er sich intensiv mit dem Thema Lithium-Ionen-Energiespeicher und Sicherheit auseinander.
Herr De Roche, warum führt kein Weg an Lithium-Ionen-Batterien vorbei? Welche Gefahren birgt diese Technik?
John De Roche (JDR): Lithium-Ionen-Batterien sind absolute Marktführer bei wiederaufladbaren Batterien. Im Bereich Heimspeichersysteme beispielsweise haben sie Bleibatterien schon zu über 90% ersetzt. Die Vorteile von Lithium-Ionen-Zellen liegen auf der Hand: Sie sind hinsichtlich Anzahl der Ladezyklen, Energiedichte und Selbstentladungsrate ihren Konkurrenten weit überlegen. Hinzu kommt, dass sie praktisch wartungsfrei und unschlagbar kompakt sind.
Auf der anderen Seite kann bei Über- und Tiefentladen von den Zellen eine Gefahr ausgehen, die im schlimmsten Fall zu einem Feuer führt. Heftige Stöße, starke Vibrationen und Spritzwasser können Akkus ebenso beschädigen wie zu heiße oder zu kalte Umgebungstemperaturen. In weiterer Folge können diese Beschädigungen zu Kurzschlüssen in der Batterie führen, die ihrerseits möglicherweise Brände verursachen. Grundsätzlich hängen die Gefahrenquellen auch von der Art der Nutzung ab. Bei sporadischer Nutzung, wie besonders im Bereich der E-Mobility, kommen andere Aspekte zum Tragen als bei Dauerbetrieb, wie er bei Heimspeichersystemen oder Handys vorherrscht.
Die meisten Li-Ionen-Batterie-Ausfälle und Brände werden durch Probleme mit dem Überladungsschutz verursacht. Wie kommt es dazu und wie kann dem vorgebeugt werden?
JDR: Auslöser für diese Probleme sehe ich bei Fehlern oder falsch gesetzten Schwerpunkten im Entwicklungsprozess. Hinzu kommen schlecht arbeitende Batteriemanagementsysteme (BMS) oder überhaupt ihr gänzliches Fehlen. Ganz allgemein sind für die Sicherheit von Batterien vier Bereiche ausschlaggebend:
- Funktionale Sicherheit
- Elektronische Sicherheit
- Mechanische Sicherheit
- Chemische Sicherheit
Meines Erachtens legen viele Batteriehersteller den Schwerpunkt zu sehr auf die elektronische Sicherheit und vernachlässigen die anderen Punkte. Es sollte mit einem umfassenden Sicherheitskonzept gearbeitet werden, das alle Bereiche gleichrangig berücksichtigt.
aentron Batterien sind zum Beispiel standardmäßig mit elektronischen Batteriemanagementsystemen ausgestattet, die streng nach der Norm IEC 61508 entwickelt werden. Durch die akribische Anwendung dieses Industriestandards wird sichergestellt, dass die Batteriemanagementeinheit zuverlässig arbeitet und in einen definierten sicheren Zustand eintritt, wenn z. B. Überladung erkannt wird.
Wie sieht es mit den Temperaturen aus?
JDR: Essenziell ist ein ausgeklügeltes Thermomanagement, das Gefahrenquellen gar nicht erst entstehen lässt. Die von aentron verwendeten Zellen haben beispielsweise einen sehr niedrigen inneren Widerstand und erlauben sehr hohe Ströme mit nur geringer Wärmeentwicklung. Dennoch werden, um die Ausbreitung von Wärme und Feuer von Zelle zu Zelle zu verhindern, die Zellen mit genau berechneten Sicherheitsabstand in neuartigen Zellhaltern montiert. Diese wurden wiederum im Vorfeld nach der gängigen Norm UL 94 überprüft und mit V-0 klassifiziert. Zwischen den Zellen ist eine Wärmeableitfolie angebracht, mit deren Hilfe die Wärme über das Gehäuse abgeleitet wird. Die verwendeten Aluminiumgehäuse ermöglichen eine besonders schnelle Ableitung der inneren Wärme nach außen und sind zusätzlich durch druckfeste Kapselung gegen interne Explosionen geschützt. Der gesamte Batterieblock wird kontinuierlich von drei Temperatursensoren überwacht.
Gefahren, die durch hohe Umgebungstemperaturen entstehen können, werden durch den optionalen Einbau einer aktiven Luftkühlung (für die Verwendung der Batterien in heißen Klimazonen) oder aber einer internen Heizung für Temperaturbereiche unter 0 °C minimiert.
Mechanische Beschädigungen sind nicht selten, kann dies zu Kurzschlüssen in den Zellen führen?
JDR: Batterien können vor mechanischen Beschädigungen, die durch heftige Stöße, Vibrationen oder Spritzwasser/Überflutung entstehen, auf mehreren Ebenen geschützt werden. Bei aentron sind die Batterien einerseits vibrations- und schockbeständig bis 50 g. Dropsafe Handgriffe bieten zusätzliche Sicherheit. Andererseits sind alle Stromanschlüsse und Kommunikationsstecker abschließbar und dadurch ebenso wie das Aluminiumgehäuse staubdicht und gegen starkes Strahlwasser geschützt. Im Gehäuse befindet sich eine Isolationsschicht bis 1000 V DC.
Wie sieht es mit der Cyber-Security von Lithium-Ionen-Akkus aus? Können Sie aentron Batterien bedenkenlos für Anwendungen des vernetzten Fahrens empfehlen?
JDR: Prinzipiell können Lithium-Ionen-Batterien, die sich je nach Kundenwunsch auch über Apps kontrollieren und steuern lassen, gehackt werden. Die Gefahr versuchen wir bei aentron für unsere Batterien mit der Verschlüsselung des internen Batterienetzwerks zu minimieren. Darüber hinaus ist unsere Software prioritär. aentron-Batterien sind momentan bei zwei Projekten im Bereich des autonomen Fahrens erfolgreich im Einsatz.
magility bedankt sich für das interessante Interview.
Bei Fragen oder bei Interesse an den Trendstudien „magility Automotive Elektrik/Elektronik“ oder „Elektromobilität und Energiespeicher“ kontaktieren sie uns gerne. Unsere Experten helfen Ihnen gerne weiter. In der Trendstudie zum Markt Automotive E/E beantwortet magility folgende Fragen:
- Welche Rahmenbedingungen (Weltwirtschaft, Automobilindustrie, Technologietrends) werden die weitere Automotive E/E Marktentwicklung beeinflussen?
- Wie entwickelt sich der Automotive E/E Markt entlang der Wertschöpfungskette (Internet, OEM, Tier, EDL, Software Firmen, Semiconductor Hersteller)?
- Welche regionalen Trends und Prognosen ergeben sich bzgl. Marktwachstum und eingesetzter Technologien für den Automotive E/E Markt?
- Welche neuen Player (Internetfirmen, Softwarefirmen, Energieerzeuger etc.) betreten die Automotive E/E Szene und wie wird das Automobil zukünftig zu einem “Mobile-Device”?
- Wie werden die neuen digitalen Geschäftsmodelle (Mobilitätsmanagement, Fahrzeugmanagement, Entertainment, Home-Integration, Wellbeing, E-Commerce etc.) wachsen?