Die Standards in der Automobilindustrie werden weiter ausgebaut. Zu den UN-Regelungen zu Automotive Cyber Security Management Systemen (CSMS) und Software-Updates, die wir auch in unserem Artikel zu UNECE WP.29 erläutert haben, kommen jetzt strenge Anforderungen für den Einsatz automatisierter Spurhalteassistenzsysteme, sogenannte ALKS (Automated Lane Keeping Systems), für PKW hinzu.
Diese vom World Forum for Harmonization of Vehicle Regulations der UNECE verabschiedete Verordnung Nr. 157 ist die erste verbindliche internationale Regelung für die so genannte „Level 3-Fahrzeugautomatisierung“. Das Weltforum für die Harmonisierung von Fahrzeugregelungen (WP.29), das von der UNECE betrieben wird, ist die zwischenstaatliche Plattform, die die technischen Anforderungen definiert, die von der Automobilbranche weltweit beachtet werden müssen.
Sichere Einführung automatisierter Fahrzeuge
ALKS übernehmen, sobald sie aktiviert sind, die primäre Kontrolle über das Fahrzeug und steuern die Quer- und Längsbewegung des Fahrzeugs. Der Fahrer ist jedoch jederzeit in der Lage, einzugreifen und die Steuerung des Fahrzeuges wieder selbst zu übernehmen. Auch vom ALKS-System selbst kann der Fahrer aufgefordert werden, einzugreifen.
Die neue Verordnung 157 orientiert sich am Rahmenwerk der UNECE und stellt die Sicherheit von automatisierten und autonomen Fahrzeugen in den Mittelpunkt. Sie verfolgt einen ausgeklügelten Systemansatz, der über die Nutzung der fortschrittlichen Technologien zur Verkehrssicherheit beiträgt, und der auch die Reduktion von Unfällen umfasst.
Ziel der Verordnung ist es, die sichere Einführung und den sicheren Betrieb von automatisierten Fahrzeugen in verschiedenen Verkehrsumgebungen zu ermöglichen. Sie soll zu einem breiteren Einsatz automatisierter Fahrzeuge beitragen. Es ist wichtig, dass der Genehmigungsprozess für Fahrzeuge auf den Märkten weltweit komplikationslos verläuft. Die UNECE bietet klare Richtlinien und einheitliche Regelungen, damit dies möglich wird.
Neue Vorgaben für die Zulassung von ALKS
Die neue Verordnung begrenzt die Betriebsgeschwindigkeit von ALKS in ihrer derzeitigen Form noch auf 60km/h. Unter bestimmten Bedingungen können ALKS im Straßenverkehr aktiviert werden, nämlich dann, wenn Radfahrer und Fußgänger nicht auf diesen Straßen zugelassen sind und der Gegenverkehr baulich durch eine physische Trennung abgetrennt ist und die Fahrbahn somit nicht kreuzen kann.
- Die UN-Regelung 157 umfasst Verwaltungsvorschriften für die Typgenehmigung, Audit- und Berichterstattungsvorschriften, technische Anforderungen und Vorschriften für die Typprüfung sowie für Tests.
- Den Antrag auf Genehmigung eines Fahrzeugtyps hinsichtlich des ALKS muss vom Fahrzeughersteller oder dessen bevollmächtigtem Vertreter eingereicht werden.
Die UN-Regelung 157 für ALKS und Human-Machine Interfaces
Die Regelung 157 umfasst auch Vorschriften in Bezug auf die Mensch-Maschine-Schnittstelle (Human-Machine Interface „HMI“), um Fehlanwendungen oder Missverständnisse seitens des Fahrzeugführers zu vermeiden. Aus der Verordnung geht z.B. hervor, dass bei einer Überforderungsmeldung, die das ALKS abgibt, alle weiteren Anzeigen des Fahrzeugs, die dem Fahrer für andere Tätigkeiten als das Führen des Fahrzeuges angeboten werden, automatisch ausgesetzt werden. Das kann beispielsweise kurz vor dem Ende eines für ALKS autorisierten Straßenabschnitts der Fall sein.
Auch der Ablauf der Übergabe der Fahraufgabe vom ALKS an den Fahrer wird in der neuen Verordnung festgeschrieben. Eine Anforderung davon gibt beispielsweise vor, dass das Fahrzeug zum Stillstand kommen muss, falls der Fahrer nicht gemäß der Anforderungen auf die Übergabeanforderung des ALKS reagiert. Dies bedeutet, dass das System die Fahreranwesenheit überprüfen und die Fahrerverfügbarkeit beurteilen können muss. Hierzu sind in dem Regelwerk klare Kriterien, die ein ALKS erfüllen muss, aufgeführt.
Dazu gehören Vorschriften und einzuhaltende Kriterien:
- für die Sensorik
- zum Fahrmodusspeicher
- von zu erfassende Datenelementen
- für die Datenverfügbarkeit unter Beachtung der jeweils geltenden nationalen und regionalen Rechtsvorschriften
- zum Schutz vor Manipulation
- zur Cybersicherheit und Softwareaktualisierung
Zusammengefasst definiert die Verordnung Sicherheitsanforderungen für:
- Notfallmanöver im Falle einer drohenden Kollision.
- Transition Demand, also wenn das System den Fahrer auffordert, die Kontrolle wieder zu übernehmen.
- Manöver mit minimalem Risiko, wenn der Fahrer nicht auf eine Übergangsaufforderung reagiert (in sämtlichen Situationen muss das System die Risiken bezüglich der Sicherheit der Fahrzeuginsassen und anderer Verkehrsteilnehmer minimieren).
- Verpflichtende Einführung von Systemen zur Erkennung der Fahrerverfügbarkeit für Automobilhersteller. Diese Systeme kontrollieren sowohl die Anwesenheit des Fahrers (auf den Fahrersitzen mit angelegtem Sicherheitsgurt) als auch die Verfügbarkeit des Fahrers, die Kontrolle wieder zu übernehmen.
- Verpflichtung, das Fahrzeug mit einer „Black Box“, dem so genannten Datenspeichersystem für automatisiertes Fahren (DSSAD), auszustatten, das aufzeichnet, wenn ALKS aktiviert wird.
Die Anforderungen an die Automobilindustrie nehmen zu
Die Automobilhersteller werden also ab sofort klare leistungsbezogene Anforderungen erfüllen müssen, bevor ihre mit ALKS ausgestatteten Fahrzeuge in den Ländern, welche die Verordnung vorschreiben, verkauft werden können. Die detaillierten Angaben, Aktivierungskriterien für ein ALKS und sämtliche weiteren Vorgaben der “UN Regulation No. 157 – Automated Lane Keeping Systems (ALKS)” sind auf der Webseite der UNECE einzusehen.
Die Konvergenz der Industrien schreitet weiter voran
Erst kürzlich ist einer unserer Partner aus dem Startup-Bereich, Cognata Ltd. aus Israel, der vollständige Produktlebenszyklus-Simulationen für Entwickler von ADAS und autonomen Fahrzeugen entwickelt, mit Five, einer Firma die autonome Fahrzeugsysteme entwickelt, kollaboriert. Gemeinsam arbeiten die beiden Firmen daran eine modulare, cloudbasierte, durchgängige Entwicklungs- und Testplattform für automatische Spurhaltesysteme ALKS anzubieten die dem neuen UNECE Standard 157 entspricht.
Der Markt gibt Gas, das automatisierte Fahren erfordert internationale Standards und für die Automobilhersteller ergeben sich stetig mehr Herausforderungen in jeglicher Hinsicht. Außerdem zeigt der Markt, dass die Konvergenz der Industrien immer weiter voranschreitet. Daraus ergeben sich auch neue Chancen für die Automobilindustrie!