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Artikel 6.4 und die neuen Carbon Credits

Artikel 6.4 und die neuen Carbon Credits

Bereits 2023 haben wir bei Magility verschiedene Dekarbonisierungsstrategien vorgestellt, die den Weg zur Klimaneutralität ebnen. Dabei haben wir auch den Artikel 6 des Pariser Abkommens thematisiert, der Carbon Credits (=Emissionsgutschriften) als wirksames Mittel zur Emissionskompensation etabliert hat. Mit der kürzlich erfolgten Finalisierung von Artikel 6.4 auf der 29. Konferenz der Vertragsparteien (COP29) wurde ein globaler Rahmen für den Kohlenstoffmarkt geschaffen. Dieser Mechanismus bietet Unternehmen neue Geschäftsmodelle und Investitionsmöglichkeiten, birgt jedoch auch Risiken, die sorgfältig abgewogen werden müssen. Die wachsende Nachfrage nach Emissionsgutschriften verdeutlicht die Notwendigkeit, regulatorische Anforderungen genau zu berücksichtigen.

Warum brauchen wir Artikel 6.4?

Der Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM), der im Rahmen des Kyoto-Protokolls eingerichtet wurde, war ein bahnbrechender Versuch, nachhaltige Entwicklung zu fördern und Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Er stieß jedoch auf folgende Kritikpunkte:

  • Mangelnde Umweltintegrität: Kritiker äußerten Zweifel an der „Zusätzlichkeit“ von CDM-Projekten und stellten infrage, ob diese tatsächlich zu realen, messbaren und langfristigen Emissionsreduktionen führen – und zwar über das hinaus, was ohnehin ohne den CDM erreicht worden wäre.
  • Begrenzter Umfang: Die geografische Verteilung der CDM-Projekte war stark unausgewogen, da sich die meisten davon auf nur wenige Länder konzentrierten. Dies führte zu Diskussionen über eine gerechte Verteilung von Ressourcen und Nutzen, insbesondere unter den Entwicklungsländern.
  • Komplexität und Bürokratie: Die komplexen Regeln und Verfahren des CDM beeinträchtigten dessen Wirksamkeit und schreckten potenzielle Teilnehmer ab.

Das neue System gemäß Artikel 6.4 zielt darauf ab, diese Probleme anzugehen, indem es einen robusteren, transparenteren und effizienteren Rahmen für Kohlenstoffmärkte schafft.

Jährlicher Wert der weltweiten Markttransaktionen auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt in den Jahren vor 2005 bis zum Jahr 2023 in Mio. USD

Annual value of voluntary carbon offset market transactions worldwide from pre-2005 to 2023 (in million U.S. dollars)

Nach zwei Rekordjahren mit hoher Nachfrage erlebte der freiwillige Kohlenstoffmarkt 2023 einen deutlichen Rückschlag. Globale wirtschaftliche Bedingungen, regulatorische Unsicherheit, ein Überangebot an Zertifikaten, die Verschiebung hin zu höherwertigen Zertifikaten sowie verstärkte Kritik und negative Medienberichterstattung, stellen Herausforderungen für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt dar.

(Ecosystem Marketplace. (May 30, 2024). In Statista. Retrieved November 28, 2024, from https://www.statista.com/statistics/501698/voluntary-carbon-offset-market-transaction-value-worldwide/)

[infobox headline=“Das wichtigste in Kürze“]

  • Artikel 6.4 schafft einen neuen globalen Markt für CO2-Zertifikate. Dieser soll transparenter und effizienter sein als bisherige Systeme.
  • Unternehmen erhalten neue Möglichkeiten zur Emissionskompensation. Durch den Kauf von CO2-Zertifikaten können Unternehmen ihre eigenen Emissionen ausgleichen.
  • Die Qualität der Zertifikate soll verbessert werden. Artikel 6.4 legt strengere Regeln fest, um sicherzustellen, dass die Zertifikate tatsächlich zu echten Emissionsreduktionen führen.
  • Es entstehen neue Risiken und Chancen. Der neue Markt bietet Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten, birgt aber auch Risiken wie regulatorische Unsicherheiten.

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Wann werden die neuen Carbon Credits verfügbar sein?

Der genaue Zeitplan für die Verfügbarkeit der neuen Carbon Credits gemäß Artikel 6.4 steht noch nicht fest. Es wird jedoch erwartet, dass sich der Markt in den kommenden Jahren allmählich entwickeln wird, wenn die Länder ihre nationalen Vorschriften finalisiert und die notwendige Infrastruktur geschaffen haben.

Die Auswirkungen auf bestehende Carbon Credits

Die Auswirkungen des neuen Systems auf bestehende Credits, wie z.B. die von Verra ausgestellten, sind noch unklar. Es gibt Regeln für die Anpassung von CDM-Aktivitäten an den neuen Mechanismus nach Artikel 6.4. Projektteilnehmer hatten bis Ende 2023 Zeit, sich zu bewerben. Für Käufer und Inhaber bestehender CDM-Emissionsrechte besteht daher nun eine gewisse Unsicherheit, da die Anerkennung nach Artikel 6.4 für die zukünftige Nutzung von CDM-Emissionsrechten entscheidend ist.

Organisationen, die Carbon Credits ausstellen, wie Verra und Gold Standard, werden ihre genehmigten Methoden für Projekte, die diese Carbon Credits erzeugen, wahrscheinlich anpassen müssen.

Vergleich: Artikel 6.4 vs. CDM

Die Bedeutung für Unternehmen, die CO2-Zertifikate erwerben

Artikel 6.4: Eine neue Generation von Carbon Credits
Das Ziel von Artikel 6.4 ist es, eine neue Generation von Carbon Credits bereitzustellen, die frei von Spekulationen über die tatsächliche Zusatzwirkung der Ausgleichsmaßnahmen sind. Sollte dies gelingen, wird erwartet, dass diese Credits an Attraktivität gewinnen und die Nachfrage nach ihnen steigt. Organisationen wie Verra, die ebenfalls Carbon Credits ausstellen, stehen seit längerem in der Kritik – ähnlich wie zuvor der CDM. Wenn Artikel 6.4 durch strengere Annahmebedingungen und ein robustes Register bestehende Glaubwürdigkeitsprobleme behebt, könnte das zur bevorzugten Lösung für Kohlenstoffkompensation werden. Insbesondere dann, wenn andere Register ihre Standards nicht entsprechend anpassen.

Wertverlust von CERs vermeiden
Für Inhaber von CDM-zertifizierten Emissionsreduktionen (CERs) ist es entscheidend, sicherzustellen, dass ihre Credits nach Artikel 6.4 übertragbar sind. Andernfalls droht ein Wertverlust, da nicht übertragbare CERs von Kunden und Stakeholdern möglicherweise nicht mehr akzeptiert werden.

Vielfältige Einsatzmöglichkeiten der neuen Carbon Credits
Artikel 6.4-Credits können von Ländern, Unternehmen und Einzelpersonen genutzt werden, um CO2-Emissionen auszugleichen. Länder haben die Möglichkeit, diese Credits zur Erfüllung ihrer national festgelegten Beiträge (NDCs) im Rahmen des Pariser Abkommens einzusetzen. Diese NDCs bestimmen den jeweiligen Beitrag zur Reduktion nationaler Emissionen und zur Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels.

Ein zentraler Vorteil von Artikel 6.4 ist die Schaffung eines globalen Marktes, der Finanzmittel von Ländern mit Kompensationsbedarf in Entwicklungsregionen lenkt, in denen Projekte zur CO2-Kompensation oder -Abscheidung durchgeführt werden. Damit entfällt die Notwendigkeit bilateraler Abkommen, wie sie heute häufig genutzt werden.

Ein grundlegender Unterschied
Die Tatsache, dass Artikel 6.4-Credits von Ländern für ihre NDCs genutzt werden können – was bei freiwilligen Carbon Credits anderer Anbieter nicht der Fall ist – schafft einen bedeutenden Nachfrageunterschied. Dies dürfte sich in höheren Preisen und einer stärkeren Marktposition der Artikel 6.4-Credits widerspiegeln.

Fazit & Ausblick

Der freiwillige Carbon-Credit-Markt hatte während seiner gesamten Existenz mit Glaubwürdigkeitsproblemen und einer unklaren regulatorischen Landschaft zu kämpfen. Politische und regulatorische Rahmenbedingungen waren fragmentiert, die Operationalisierung der umfassenden ökologischen Integrität zeigte nur langsame Fortschritte, die rechtliche Klarheit im Hinblick auf Carbon Credits fehlte, und die Ansätze zur Bereitstellung von Marktinfrastrukturen waren fragmentiert und vielfältig. Artikel 6.4 ist ein wichtiger Schritt hin zu einem effektiveren und transparenteren globalen Kohlenstoffmarkt. Unternehmen, die sich für Klimaschutz engagieren, sollten die Entwicklungen genau verfolgen und sich frühzeitig auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen.

Sollte Artikel 6.4 in der Lage sein, diese Probleme anzugehen und die Glaubwürdigkeit von freiwilligen Carbon Credits wiederherzustellen, könnte mit der Finalisierung von Artikel 6.4 des Pariser Abkommens auf der COP 29 eine neue Ära der CO2-Kompensation beginnen.

Haben Sie noch weitere Fragen? Sprechen Sie uns gerne an. Unser Magility-Experte für Dekarbonisierung und Nachhaltigkeit, Daniel Rådström, berät sie gerne. Für aktuelle News und Benachrichtigungen über neue Blog Artikel können Sie uns gerne auch auf LinkedIn folgen.

Macht Agilität alleine glücklich? – Steigende Anforderungen für Unternehmen zu Agilität und Nachhaltigkeit

Macht Agilität alleine glücklich? – Steigende Anforderungen für Unternehmen zu Agilität und Nachhaltigkeit

 Von Dr. Michael W. Müller, Geschäftsführender Partner magility GmbH & Co. KG

 

Agilität als Komplement zu Nachhaltigkeit

 

Agilität wird gelegentlich auch mit Flexibilität gleichgesetzt. Der in der Produktion oft verwendete Begriff der Agilität geht jedoch weit über Flexibilität hinaus: Unter Flexibilität wird die Fähigkeit eines Produktionssystems verstanden, sich an erwartete Änderungen anzupassen (z.B. Nachfrageschwankungen von Produkten); dagegen integriert Agilität auch die Anpassungsfähigkeit an unerwartete Änderungen.

 

In der Industrie wird Flexibilität durch Konfigurierbarkeit schon in der Planungsphase berücksichtigt – sowohl bei den Produktionsmitteln, z.B. durch den Einsatz von CIM- und CAD/CAM-Systemen, wie auch bei den Produkten selbst, z.B. durch einen komponenten- oder modulbasierten Aufbau incl. plattformübergreifenden Gleichteilekonzepten. Konfigurierbarkeit fördert die Flexibilität, nützt jedoch nichts bei unerwarteten Änderungen, da nur die „eingeplanten“ Änderungen berücksichtigt werden können.

 

Konsequenterweise wird daher Agilität nicht nur für das Produktionssystem sondern für das ganze Unternehmenssystem gefordert:

 

„Agility is the successful exploration of competitive bases (speed, flexibility, innovation pro-activity, quality and profitability, sustainability) through the integration of reconfigurable resources and best practices in a knowledge-rich environment to provide customer-driven products and services in a fast changing market environment”.

 

Dabei ist es wichtig festzuhalten, dass Agilität nicht nur auf das schnelle Reagieren abstellt, sondern den Wandel vorausschauend pro-aktiv unterstützen soll. Agilität wird so zu einer dauerhaften Fähigkeit des Unternehmens, d.h. es ist ein nachhaltiges agiles Vorgehen erforderlich. Es stellt sich jedoch die Frage, wie Nachhaltigkeit erreicht werden kann. Bei der Analyse der Definitionen und Ansätze der Nachhaltigkeit ist die Herkunft dieses Begriffs aus der Umweltökonomie nicht zu übersehen. Bereits 1987, wurde der Abschlussbericht der Brundtland-Kommission „Unsere gemeinsame Zukunft“ veröffentlicht. Hier wurde erstmals das Leitbild einer „nachhaltigen Entwicklung“ entwickelt. Darunter ist eine Entwicklung zu verstehen, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“

 

Das von der Kommission vorgestellte Konzept einer nachhaltigen Entwicklung bildete zum ersten Mal die Grundlage einer integrativen globalen Politikstrategie. So wurden herkömmlich als getrennt betrachtete Problembereiche wie u.a. Umweltverschmutzung in Industrieländern, globale Hochrüstung, Schuldenkrise, Bevölkerungsentwicklung und Wüstenausbreitung in einem Wirkungsgeflecht gesehen, das durch einzelne Maßnahmen nicht würde gelöst werden können.

 

Aufgrund der zunehmenden Vernetzung insbesondere getrieben durch Digitalisierung sowie sich verändernde Nachfragemuster in der Generation „always online“ werden Agilitäts- und Nachhaltigkeitsthemen zukünftig noch weiter in den Fokus von Entscheidern rücken. Im Zuge dessen steigen die Anforderungen an Strategie, Führung und Organisationssystem von Unternehmen. Um nachhaltig und zukunftsorientiert weiterhin agieren zu können müssen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle nach agilen Prinzipien ausrichten sowie ein „agiles Mindset“ leben.

Wir begleiten Sie professionell auf dem Weg zu Ihrer agilen Organisation. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht: info@magility.com