400.000 Teilnehmer aus 95 Ländern, nahezu 1000 Speaker und 744 Aussteller kamen auf der neuen IAA Mobility in der letzten Woche zusammen. Darunter Automobilhersteller, wichtige Player der Tech-Branche, zahlreiche relevanten Unternehmen der Zulieferindustrie und Anbieter von Mikromobilitätsprodukten. Wie jedes Mal waren auch wir von magility wieder vor Ort aktiv. 

Das neue Konzept

In diesem Jahr präsentierte sich die IAA Mobility erstmals in München in gänzlich neuem Gewand. Sehr ambitioniert, hybrid in Präsenz und online-Version sowie in einer B2B- und einer B2C-Ausprägung. Der B2B-Bereich war auf dem Messegelände selbst angesiedelt, während sich der B2C-Teil in der Stadtmitte Münchens befand. Viele Bereiche konnten auf den beliebtesten Plätzen Münchens kostenfrei auch ohne Ticket besichtigt werden. Alle, die nicht persönlich vor Ort waren, konnten die Messe über die neue virtuelle Plattform der IAA Mobility digital erleben.

Die Demonstranten

Insbesondere die Plätze in der Stadt wurden von massiven Polizeiaufgeboten gesichert. Seit dem G20 Gipfel 2017 in Hamburg gab es kein größeres Polizeiaufgebot in Deutschland mehr. Zahlreiche Demonstranten fanden sich an unterschiedlichen Plätzen zusammen und forderten eine Abkehr von der immer noch autodominierten Verkehrspolitik. Sie standen ein für Fuß-, Rad und Nahverkehr, seilten sich von Autobahnbrücken ab, organisierten eine Fahrrad-Sternfahrt sowie Fußgänger-Demonstrationen oder nahmen auf der Theresienwiese an einem sogenannten Protestcamp teil. Demonstranten warfen den Machern der IAA Mobility vor, nur eine Plattform für die Image-Politur von Politik und Wirtschaft zu sein. 

Unser Eindruck – magility vor Ort

Bei unserem Rundgang über die Messe konnten wir den Sprung weg von einer reinen Automesse hin zu einer Mobilitätsmesse schon klar erkennen. Unterschiedliche Fahrzeuglösungen und Mobilitätsformen haben Einzug in die Messe gefunden. Die IAA Mobility ist keine reine Automesse mehr, auf der die OEM ihre Autos mit starken Verbrennermotoren präsentieren. Nur wenige Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor waren auf der Messe zu finden, leider aber auch nahezu keine Aussteller aus dem Ausland. Die IAA Mobility soll zur Netzwerkveranstaltung und zur Plattform fürs Zusammenarbeiten werden sowie für neue Geschäftsmodelle, Mikromobilität und Stadtpolitik stehen. Unter einem Dach bzw. einem Himmel fanden sich viele Macher zusammen, die die Mobilität der Zukunft gestalten möchten. 

Bundeskanzlerin Merkel sprach in ihrer Eröffnungsrede auf der IAA von einem wirklichen Quantensprung im Vergleich zur letzten IAA. Die Vernetzung aller Mobilitätsformen stand klar im Mittelpunkt. Neben den Autoherstellern tummelten sich zahlreiche Zulieferer, Tech-Start-Ups, Fahrradmarken und weitere Mikro-Mobilitätsanbieter mit neuen Angeboten auf den Ausstellungsflächen. Auf unterschiedlichen Bühnen wurde über die neuen Mobilitätsformen, und alles was damit zusammenhängt, diskutiert und referiert. Es ging auch um die Städte der Zukunft, um Cyber Security, um Verkehrskonzepte und natürlich auch um die weiter fortschreitende Vernetzung. 

Eine greifbare Vision von der Stadt der Zukunft, klimaneutral, ohne Lärm und Stau und mit einem multimodalen und sicheren Verkehrskonzept, hat sich für uns auf der Messe noch nicht gezeigt. Durch das sehr ambitionierte, auf die Zukunft ausgerichtete und dezentrale Konzept und durch die Integration der zahlreichen Fortbewegungsformen kam man sich zwischendurch auch mal etwas verloren in den großen Hallen bzw. auf den Straßen vor. Der Weg, den die Macher der IAA Mobility eingeschlagen haben, ist ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung und hat aus magility-Sicht großes Zukunftspotential. Transformation weg von Altbewährtem hin zu experimentellem Neuen läuft bekanntlich niemals reibungslos und braucht Begleitung durch Fachexperten, die Altes und Neues sinnvoll miteinander verknüpfen können.

Größter Schwachpunkt des aktuellen Konzeptes ist die unzureichende Umsetzung des B2B-Konzeptes. Wie in alten Zeiten haben fast alle Aussteller reine Verkaufsteams auf die Messestände geschickt. Allerdings fehlen qualifizierte Entwickler und Einkäufer, um das B2B-Konzept zu wirklichem Leben zu erwecken.

Die Autohersteller

Elektrofahrzeuge dominieren auf der IAA Mobility ganz klar das Messegeschehen. Die Branche hat begriffen, dass sie umdenken muss und die politisch vorgegebenen Rahmenbedingungen scheinen zu greifen. Wir haben auf der IAA nur noch wenige Fahrzeuge mit klassischem Verbrennungsmotor finden können. Dieser Effekt zeigt sich bereits in der Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamtes (KBA, 2020), das für die Segmente E-Fahrzeuge und Hybride in Summe 25% der Zulassungen verzeichnet. Dies liegt fast gleichauf mit dem Diesel (28%), während der Benziner noch mit 47% der Zulassungen eindeutig führt. Die OEM können also die aktuelle Nachfrage durchaus bedienen. 

Das Prinzip “nachhaltiger, smarter, geteilter (shared economy)” verdrängt zunehmend das alte Prinzip, “schneller, stärker und breiter”. Auf der IAA Mobility hat sich diese Entwicklung bei den ausgestellten PKW der OEM noch nicht durchgesetzt. Für die potentiellen Abnehmer aus dem Querschnitt der deutschen Bevölkerung ist das Angebot dort noch unzureichend. Nach einer Studie von Statista zur Ausgabebereitschaft der deutschen Bevölkerung für die Anschaffung eines PKW im Jahr 2020 wollten nur etwa 6% der Bevölkerung, die 2020 eine Neuanschaffung geplant hatten, mehr als 25000 € in diese Anschaffung investieren. 

Das einzige Auto auf der Messe, welches unter 25.000 € Anschaffungspreis liegt, ist der ID.Life von VW, der allerdings laut Volkswagen-Markenchef Ralf Brandstätter erst 2025 auf dem Markt verfügbar sein wird. Verfügbare Elektrofahrzeuge für den Massenmarkt haben wir auf der IAA Mobility also vergeblich gesucht, ebenso wie Fahrzeuge mit Wasserstoffantrieb. 

Die Internationalität wurde auf der IAA schmerzlich vermisst und sollte auf den Folgemessen wieder hergestellt werden. Zudem deckt die IAA Mobility nicht die komplette Mobility ab, denn es fehlen z.B. Motorbikes, Air-Taxis, Hyperloops, Electric Planes, Supersonic Aircrafts und Spaceships.

Unser Fazit: Die IAA Mobility 2021 war wie immer spannend und gleichzeitig schon ganz anders als früher. Damit sie aber nachhaltig bestehen kann, muss sie sich noch viel mehr verändern. Die Richtung stimmt, die Ausgestaltung bedarf noch deutlicher Korrekturschleifen. 

Die Zulieferer

Die Zulieferer rückten bei der IAA Mobility deutlich mehr in den Mittelpunkt des Geschehens. Die großen Zulieferer (Tier1) begegneten den Automobilherstellern dabei auf Augenhöhe. Das war auf der “alten” IAA noch ganz anders. Hier wird ein deutlicher Shift sichtbar und die Industrie “dahinter” visibler. Auch bei den Zulieferern liegt der Fokus klar auf der Elektromobilität und alternativen Antriebstechniken. Bosch verkündete z.B. auf der IAA Mobility, dass die Elektromobilität in Zukunft zum Kerngeschäft für das Unternehmen werde und stellte die neu entwickelte “eAchse” vor, die Leistungselektronik, Elektromotor und Getriebe zu einer Einheit verbindet. Auch Continental und Schaeffler zeigten auf der Messe Innovationen rund um das Thema alternative Antriebe. 

Wolf-Henning Scheider, Chief Executive Officer der ZF Group stellte in der Pressekonferenz neben der ZF-Strategie “Next Generation Mobility. NOW” auch das sogenannten „Modular eDrive Kit“ vor, ein modularer Baukasten aus abgestimmten Komponenten, der neben E-Motoren auch Inverter, Software und unterschiedliche Getriebe-Optionen bietet. Es bündelt laut Scheider die gesamte Expertise des ZF-E-Mobilitätsteams bei Systemlösung, Komponenten und Softwaresteuerung in einer flexiblen und modularen Plattform. Der konsequente Baukastenansatz des eDrive Kit ist die optimale Ergänzung der Plattformstrategie der Fahrzeughersteller. ZF verspricht mit der modularen Antriebslösung für rein elektrische PKW bis zu 50 Prozent verkürzte Entwicklungszeiten sowie hohe Reifegrade. Vom Kompaktwagen bis zum Premiumsegment kann alles abgebildet werden.

Am Beispiel ZF zeigt sich, wie auch bei Huawei, Schaeffler, Bosch, Tesla u.a., dass die Intelligenz künftiger Fahrzeuge von wenigen, extrem leistungsfähigen Zentralrechnern wie dem ZF ProAI bestimmt sein wird. Nach ZF-Angaben ist der ZF ProAI der flexibelste, skalierbarste und leistungsstärkste Automotive-Grade Supercomputer für die Automobilindustrie und damit quasi die Quelle der Fahrzeug-Intelligenz.

Der Umstellungsprozess von der herkömmlichen Antriebstechnologie hin zur Elektromobilität stellt einen massiven Qualifizierungs-Aufwand in den nächsten Jahren auch bei den Zulieferern dar, die Ihre Dienstleistungen und Produkte an die neuen Anforderungen anpassen müssen. Einige Zulieferer sind aus magility-Sicht den Fahrzeugherstellern dabei teilweise schon weit voraus, während andere Zulieferer diesen nächsten Evolutionsschritt nicht überleben werden. 

Die Startups

Startups sind auf der IAA Mobility im Vergleich zur letzten IAA deutlich mehr in den Fokus gerückt. Die Start-up Stände waren zentral neben den Big Playern der Branche platziert und deshalb für die Messebesucher sehr gut zugänglich. Sie hatten die Möglichkeit, sich bei den zahlreichen Networking Events mit Investoren, internationalen Partnern und politischen Vertretern zu vernetzen und sich an Masterclasses, Diskussionsrunden und Vorträgen zu beteiligen. Mit dem IAA Mobility Founders Day – einer Netzwerkveranstaltung – wurden auch progressive Zielgruppen der IAA erreicht. Viele der spannendsten Entwicklungen kamen nicht etwa von den etablierten Herstellern, sondern eben gerade von diesen neuen jungen Unternehmen und den Start-ups. So hat z.B. Johann Jungwirth, Vize-Präsident des Mobility-as-a-Service (MaaS) von Mobileye eine kleine Sensation aus dem Bereich Autonomes Fahren verkündet. Ab 2022 soll zusammen mit dem Autovermieter Sixt in München ein Robotaxi-Service angeboten werden, welcher ohne Sicherheitsfahrer auskommen soll. Die Zulassung ist bereits beantragt. Tech-Start-ups sind den etablierten Anbietern vor allem durch die schnelleren Entwicklungszyklen vorraus. Auch aus dem Bereich ADAS waren auf der Messe viele Start-ups vertreten. So auch Cognata, ein israelisches Unternehmen, welches vollständige Produktlebenszyklus-Simulation für Entwickler von ADAS und autonomen Fahrzeugen anbietet. Wir werden in einem weiteren Artikel über diese und weitere interessante Start-ups der IAA und deren High-Tech Entwicklungen berichten. 

Mikromobilität auf der IAA

Nicht alleine Autos standen auf der diesjährigen IAA im Mittelpunkt des Geschehens. Auch Mikromobilitätsanbieter mischten erstmals im Messegeschehen mit. Das Fahrrad ist im Trend, und so mischen selbst klassische Autohersteller wie z.B. Porsche auf diesem Markt mit: In Kooperation mit dem deutschen Fahrradhersteller Storck Bicycle hat Porsche eine neue Marke namens Cyklaer gegründet. Unter dieser Marke werden schnelle E-Bikes auf Porsche Preisniveau angeboten. BMW ist mit dem Konzept seines “Dynamic Cargo” im Bereich der Lastenfahrräder aktiv, und auch VW ist mit seinem Lastenrad “e-Bike Cargo” mit dabei, welches sogar noch dieses Jahr auf den Markt kommen soll. Auch junge Unternehmen und Start-ups mischen im Mikromobilitätsbereich auf der IAA Mobility dieses Jahr kräftig mit. Wir werden in einem separaten Artikel noch darüber berichten.  

Unser Fazit

Der Weg in eine klimaneutrale, für alle erschwingliche und verfügbare Mobilität schreitet sichtbar weiter voran, wenngleich es auf der Strecke dorthin noch einige althergebrachte Sicht- und Verhaltensweisen zu überdenken gilt! Die IAA Mobility hat diesen Trend aufgegriffen und mit dem neuen Konzept einen Startschuss gesetzt. Die Ausgestaltung ist weiter ausbaufähig und kann sich in eine vielversprechende Richtung hin entwickeln. In diesem Jahr stand die IAA Mobility ganz klar im Zeichen des E-Antriebs. ADAS und E-Mobility-Themen standen klar im Fokus der Messe. Auch die Anbieter von Mikromobilitätsprodukten haben sich ihren Platz auf der Messe erobert. Dass die Konvergenz der Industrien in Zukunft eine noch bedeutungsschwerere Rolle erfährt, zeichnete sich ebenfalls für uns klar ab. Plattformanbieter mischen mittlerweile in der Automobilindustrie kräftig mit. Insbesondere Huwaei, mit seiner End-to-End Solution von der Cloud bis in die Fahrzeugarchitektur, ist uns dabei sehr positiv aufgefallen. Telekommunikationsunternehmen treten auf dem Automobilmarkt also nicht mehr nur auf den Nebenschauplätzen auf. Sie stehen mitten im Geschehen und die Automobilhersteller müssen sich warm anziehen. Für die nächste IAA im Jahr 2023 erwarten wir von magility, dass die Thematik des Autonomen Fahrens weiter in den Mittelpunkt des Messegeschehens rücken wird. 

Summa summarum blicken wir auf eine sehr interessante Messe zurück und freuen uns schon auf die spannenden Entwicklungsschritte, die bis 2023 mit der Mobilitätswende gegangen werden (müssen). Wir begleiten mit großem Enthusiasmus die Startups aus unserem Netzwerk dabei, ihre High-Tech Entwicklungen hier in Europa zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu platzieren. Für die Industrieunternehmen evaluieren und überprüfen wir neue innovative Geschäftsmodelle und begleiten bei der Integration und Markteinführung. Mit unseren Experten aus dem Bereich Elektromobilität und Alternativen Antrieben beobachten wir auch diesen Teilmarkt. Bei Fragen kommen Sie gerne auf uns zu.